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Der Puppenmacher

  • Autorenbild: Felix Auras
    Felix Auras
  • 14. Aug. 2023
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 5. Sept. 2023

„Jenny, komm raus jetzt. Das ist nicht mehr witzig.“

Seit einer Stunde suchte Natalie bereits nach ihrer jüngeren Schwester.

Sie waren während eines Familienurlaubes mit ihren Eltern und ihrem großen Bruder Ron etwas tiefer in den Wald gegangen, um Verstecken zu spielen.

Nur hatte sich Jenny diesmal zu gut versteckt und Natalie verlor so langsam die Lust.

„Wenn du nicht sofort rauskommst, sag ich es Mum und Dad", rief sie in den Wald hinein.

Plötzlich vernahm sie ein Wimmern in der Nähe.

„Jenny? Bist du das? Hast du dir wehgetan?“

Doch sie erhielt keine Antwort.

Je näher sie der Quelle kam, desto lauter schlug ihr Herz.

Hoffentlich war sie nicht ernsthaft verletzt.

Das Wimmern war jetzt so laut, dass sie Jenny eigentlich hätte sehen müssen.

Doch keine Spur war von ihrer jüngeren Schwester zu entdecken.

Was soll das denn? Sie müsste doch hier irgendwo sein.

Ihr Blick fiel auf den Boden.

Lag da eine Puppe?

Tatsächlich lag dort eine kleine Puppe, die Jenny verblüffend ähnlich sah und auch die Geräusche schienen von ihr zu kommen.

Natalie bückte sich, um die Puppe aufzuheben, als diese sich plötzlich bewegte und sie ansah.

Vor Schreck ließ Natalie die Puppe fallen und sprang einen Meter zurück.

„Natalie, hilf mir", kam es von der Puppe.

„Ein böser Mann hat was mit mir gemacht und mich in diese Puppe verwandelt.“

Stocksteif stand sie da und starrte die Puppe an. Ihr Verstand war nicht in der Lage zu verarbeiten, was sie da gerade miterlebte.

„Ist das ein Scherz? Du und Ron, ihr wollt mich doch nur auf den Arm nehmen, oder?“

Natalie ging langsam auf die Puppe zu.

„Ihr habt's geschafft. Ihr habt mich gekriegt. Könnt ihr jetzt bitte damit aufhören? Ihr macht mir Angst", sagte sie. Ihr Blick huschte zwischen den Bäumen umher.

„Na gut, ich geh' jetzt und sag's Mum und Dad", rief sie in den Wald hinein und setzte dabei langsam einen Fuß hinter den anderen.

„Nein, bitte geh nicht. Du musst mir helfen", wimmerte die Jenny-Puppe.

Irgendetwas an ihr ließ Natalie jedoch zögern.

Die Puppe hob ihr Ärmchen und zeigte tiefer in den Wald.

„Dort hat der Mann sein Haus. Wenn du dich beeilst, kannst du mich vielleicht noch retten. Schnell!“

Irgendetwas in ihrem Tonfall ließ Natalie alle Bedenken über Bord werfen. Sie hob die Puppe auf und lief, ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, in die Richtung, in die Puppenjenny gezeigt hatte.

Immer tiefer lief sie in den Wald hinein. Die Umgebung wurde stiller und stiller, bis bald kein Geräusch mehr an ihre Ohren drang. Auch schien es dunkler zu werden, als ob das Licht selbst Angst hatte, weiter vorzudringen.

Mit einem Mal stand sie auf einer großen Lichtung und auf ihr stand ein windschiefes, verkommenes, altes Haus. Der Putz bröckelte von den Wänden und an den modrigen Holzbalken wuchsen an jeder Ecke Pilze und Moos.

„Da ist es, da lebt der böse Mann", wisperte Jenny.

Schritt für Schritt näherte sich Natalie dem Häuschen.

Rauch qualmte aus dem schrägen Schornstein, überall im Garten waren verwelkte und tote Blumen.

Natalies Knie wurden weich und sie fragte sich, ob es die richtige Entscheidung war, hierher zu kommen.

Dann flog die Tür auf.

Heraus kam ein buckliges Männlein. Der verfilzte Bart umrahmte sein altes, faltiges Gesicht, die strähnigen, grauen Haaren hingen an den Seiten herab wie tote Würmer.

„Na, wen haben wir denn hier", kicherte er. „Ich habe dich bereits erwartet, Natalie.“

„Wer sind Sie und woher kennen Sie meinen Namen?“, rief Natalie. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck und sie drückte die Puppe fester an sich.

„Jenny hat ihn mir verraten.“

In diesem Augenblick biss Jenny zu und riss ein Stück Haut aus Natalies Hand. Als Natalie aufschrie, sprang die Puppe herab und rannte zu dem alten Mann.

„Aaahh", heulte Natalie. „Warum hast du das getan? Komm zurück.“

Doch Jenny schwang sich auf die Schulter des Mannes und kicherte vor sich hin.

Plötzlich erschienen überall Puppen. Sie alle sahen aus wie Kinder. Manche schon etwas älter, andere noch recht neu.

„Das hast du gut gemacht, Jenny", lobte der alte Mann und strich der Puppe über das Haar.

„Ich bin Puppenmacher und Jenny hat mir gerade geholfen, ein neues Exemplar zu finden.“

Dabei starrte er Natalie an und grinste böse.

Sie drehte sich um und wollte wegrennen; weg von diesem grauenhaften Mann, von diesem gruseligen Ort und den bösen Puppen, doch mit einem Mal fühlte sie sich schlapp und müde. Ihr wurde schwindlig und sie fiel auf die Knie. Die Welt um sie herum begann sich zu drehen.

„Na na, wohin denn so eilig. Der Spaß fängt doch gerade erst an", lachte er böse.

Sie hörte noch, wie die Puppen um sie herum sprangen, ehe sie das Bewusstsein verlor.


„Jenny? Natalie? Wo seit ihr? Das Essen ist bald fertig und Mum will, dass ihr euch vorher noch wascht.“

Ron lief in den Wald hinein, die Hände an den Mund gelegt und rief, so laut er konnte, nach seinen Schwestern. Doch er bekam keine Antwort.

Er lief weiter, kletterte über umgefallene Baumstämme und sah hinter jeden Baum, doch keine Spuren von seinen Schwestern.

Da stieß er mit dem Fuß gegen etwas. Als er sich bückte, um nachzusehen, traute er kaum seinen Augen. Vor ihm lag eine Puppe, die Natalie zum Verwechseln ähnlich sah.

„Hilf mir, Ron!“

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